In Lübeck wurden noch Anfang 1957 Kindergräber aus den Kriegsgräberlisten gestrichen!

 

[Schreiben des Innenministeriums an den Volksbund vom 8.2.1957, Archiv des Volksbundes in Heikendorf.]

 

Der Sachbearbeiter im Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein hatte am 21.1.1954 eine Liste aller Kriegsgräber angefertigt, die sich auf dem Lübecker Friedhof Vorwerk befanden und nach §6e des Kriegsgräbergesetzes von 1952 in die öffentliche "Sorgepflicht" übergegangen waren. Dazu gehörten in der ersten Zeit auch die Gräber aller ausländischen Kinder, deren Mütter zwangsweise zum Arbeitseinsatz ins Deutsche Reich deportiert worden waren. In den ersten Listen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge wurden die Kinder (auch Kleinkinder und Neugeborene) als "FrAr" (Fremdarbeiter) gekennzeichnet. Und nach §6e des Kriegsgräbergesetzes handelte es sich bei den Kindern um "ausländische Arbeiter". [1]

Dieser Widerspruch muss in der Folgezeit aufgefallen sein, und im Innenministerium wurde per Erlass am 2. Juli 1955 angeordnet: "Alle Kindergräber sind aus den offiziellen Listen des Volksbundes zu streichen". Damit entfiel auch die Notwendigkeit, für die Pflege der Kindergräber finanzielle Unterstützungsgelder an die Träger der entsprechenden Friedhöfe zu zahlen. Daraufhin ließ das Interesse an den Kindergräbern stark nach, und (fast überall) entschied man sich, die Gräber abzuräumen. [2]

Das Streichen der Kindergräber aus den Listen des Volksbundes war ein langwieriger Prozess, der offensichtlich im Februar 1957 noch andauerte: "Die unter lfd. Nr. 1393 und 1394 verzeichneten Gräber ausländischer Kinder unterliegen nicht der Sorgepflicht nach dem Kriegsgräbergesetz. Ich habe sie daher aus der Betreuung herausgenommen und die Eintragungen in meiner Ausfertigung der Gräberliste vom 21.1.1954 gestrichen."

Letztendlich wurden in den nächsten zwei Jahren nur diejenigen ausländischen Kindergräber als Kriegsgräber wieder anerkannt, wenn die Kinder durch "unmittelbare Kriegseinwirkung" ums Leben gekommen waren (z.B. als Opfer von Bombenangriffen) oder aber nach dem 8. Mai 1945 in einem "von einer anerkannten internationalen Flüchtlingsorganisation" betriebenen Sammellager (z.B. einem DP-Lager) verstorben sind. [3]

 

Copyright: Uwe Fentsahm (Brügge, Dezember 2024)

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[1] Siehe dazu den Online-Beitrag des Autors:

http://www.akps-schleswig-holstein.de/AKPS-Graeber/Volksbundliste-1947.htm

[2] Siehe dazu den Online-Beitrag des Autors:

http://www.akps-schleswig-holstein.de/AKPS-Graeber/Volksbundliste-1954.htm

[3] Siehe dazu §1 (1) und §6 f) des Kriegsgräbergesetzes von 1952 (Bundesgesetzblatt 1952, Teil I, S.320 ff.) und die Online-Beiträge des Autors:

http://www.akps-schleswig-holstein.de/AKPS-Graeber/Friedhof-Seth-Kinder.htm

http://www.akps-schleswig-holstein.de/AKPS-Graeber/Volksbundliste-1959.htm