Hinweise auf "Ausländerkinder-Pflegestätten" (AKPS) in Schleswig-Holstein in der Datenbank www.krieggegenkinder.de

 

Niebüll (Kreis Südtondern) - Krankenhaus und Friedhof Niebüll

 

"Im Krankenhaus Niebüll kamen zwischen Juli 1943 und Februar 1945 elf polnische Kinder zur Welt, sowie zwischen März 1943 und April 1945 59 Kinder von "Ostarbeiterinnen". Das Krankenhaus in Niebüll hatte als "Entbindungsstation" eine zentrale Funktion für den Kreis Südtondern: "Die Arbeitsorte der Mütter decken das gesamte Kreisgebiet ab, einzelne Schwangere kamen sogar von den Inseln Amrum, Föhr und Sylt zur Entbindung nach Niebüll. In der Regel blieben die Mütter mit ihren Säuglingen nach der Geburt zehn Tage in der Klinik. Einige Aufenthalte dauerten deutlich länger, gelegentlich findet sich dabei der Hinweis auf eine Frühgeburt. So starb am 19. August 1943 ein zu früh geborener Junge, dessen 20jährige Mutter Anna O. als "Ostarbeiterin" in Horsbüll arbeitete, nur einen Tag nach der Geburt. Der kleine Iwan blieb der einzige Todesfall unter den 70 Neugeborenen."[1]

Kinder aus der "Ausländerkinder-Pflegestätte" Broweg, die krank waren, wurden offensichtlich ins Krankenhaus Niebüll eingeliefert: "Bei acht "Ostarbeiterkindern" findet sich der Hinweis "aus Broweg ohne Mutter". Die Kinder waren zwischen sechs Tagen und zehn Monaten alt. Am 11. August 1944 fanden gleich vier Säuglinge aus Broweg stationäre Aufnahme. Der Grund der Einlieferung ist nur bei einem der Kinder vermerkt, bei der sechs Wochen alten Anna P., die am folgenden Tag starb. Als Todesursache ist angegeben: "Ernährungsstörungen".

"Die Mutter der kleinen Anna hatte in Toftum gearbeitet und das Kind in der Niebüller Entbindungsstation [d.h. im Krankenhaus] zur Welt gebracht. Bald danach muss das kleine Mädchen - die Gründe und der Ablauf sind nicht zu rekonstruieren - von seiner Mutter getrennt und nach Broweg gebracht worden sein. Ähnlich erging es offenbar der am 4. Juni 1944 geborenen Alexandra S., deren Mutter aus Wyk auf Föhr zur Entbindung gekommen war. Die Mutter erhielt danach vermutlich eine neue Arbeitsstelle in Norddorf auf Amrum zugewiesen, von dort kamen Mutter und Kind am 24. Juni erneut in die Klinik und blieben fast einen Monat bis zum 21. Juli. Nur drei Wochen später - an jenem 11. August - wurde die kleine Alexandra erneut eingeliefert, diesmal ohne Mutter als eines der vier Kinder aus Broweg. ... Alexandra S. starb am 15. August und wurde in Niebüll begraben."[2]

"Insgesamt wurden bis zum 17. Oktober 1944 acht Kinder aus Broweg [in das Krankenhaus in Niebüll] eingeliefert; vier von ihnen starben in der Klinik, bei dreien ist die Todesursache angegeben. Wie im geschilderten Fall der Anna P. verschied am 3. September 1944, vier Tage nach ihrer Einlieferung, auch Alla I., geboren in der Klinik am 22. juni 1944, Tochter einer "Ostarbeiterin" aus Gotteskoog, an "Ernährungsstörungen". Am 26. September 1944 starb Janina B., ebenfalls Tochter einer in Gotteskoog beschäftigten "Ostarbeiterin", nur 20 Tage nach ihrer Geburt und einem Aufenthalt in Broweg an "allgemeiner Schwäche".[3]

Nach den ersten Erkenntnissen von Irene Dittrich sind auf dem Friedhof in Niebüll vier sowjetische Kinder bestattet worden: "Walter Bredow, Olla Iwanowa, Anna Kalapakow und Alexandra Scheptunowa starben zwischen Mai und September 1944 im Alter von zwei Monaten bis sieben Jahren." Hinzu kamen noch Gula Stanislawa (3 Monate alt), Edwina Rempe (knapp drei Jahre alt) und Wasil Bontey (15 Jahre alt). Im Laufe der Jahre sind die Namen von vier Kindern und vier Erwachsenen aus den Gräberlisten "verschwunden".[4]

 


Literaturhinweise:

[1] Nils Köhler: Das Schicksal der "Ausländerkinder" in Nordfriesland - eine historische Recherche, In: Danker, Uwe u.a. (Hg.): Zwangsarbeitende im Kreis Nordfriesland 1939-1945, Bielefeld 2004, S.234.

[2] Nils Köhler: Das Schicksal der "Ausländerkinder" in Nordfriesland - eine historische Recherche, In: Danker, Uwe u.a. (Hg.): Zwangsarbeitende im Kreis Nordfriesland 1939-1945, Bielefeld 2004, S.235.

[3] Ebd.

[4] Irene Dittrich: Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu den Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945 (Hrsg. Studienkreis Deutscher Widerstand), Bd. 7/1: Schleswig-Holstein I. Nördlicher Landesteil, Frankfurt/M. 1993, S.122.

Zurück

 

© Uwe Fentsahm (Brügge, März 2021)