Die "Ausländerkinder-Pflegestätte" in Burgkirchen an der Alz

[100 km östlich von München und 34 km südwestlich von Braunau am Inn]

Über Burgkirchen a.d. Alz heißt es bei Wikipedia: "Das rein landwirtschaftlich geprägte 500-Seelen-Dorf erfuhr ab 1939 mit dem Bau des Chemischen Werkes Gendorf, das 1941 seine Produktion aufnahm, einen grundlegenden Strukturwandel." Es handelte sich um den Rüstungsbetrieb ANORGANA, der in umfassender Weise Zwangsarbeiter beschäftigte: "So waren zeitweise mehr als 2.000 Fremd- und Zwangsarbeiter im Lager Gendorf in Holzbaracken untergebracht. Das Lager, das auf Gemeindegebiet Emmerting zwischen dem eigentlichen Werk Gendorf und der Alz lag, wurde von der Deutschen Arbeitsfront (DAF) beaufsichtigt." Diese detaillierten Angaben sind den akribischen Nachforschungen des örtlichen Bauamtsleiters und Heimatpflegers Alois Remmelberger zu verdanken. Er hat seine Ergebnisse auf der Homepage der Gemeinde Burgkirchen a.d. Alz veröffentlicht.

Nachdem eine Rückkehr von schwangeren Zwangsarbeiterinnen in ihre Heimatländer durch den Erlass des GBA Sauckel vom 15. Dezember 1942 nicht mehr vorgesehen war und stattdessen vermehrt Entbindungsstationen eingerichtet werden sollten, "ließ die Werkleitung von ANORGANA ein solches Entbindungsheim im Wohnlager auf Emmertinger Gemeindegebiet errichten. Ab Anfang 1943 konnten dort die schwangeren Arbeiterinnen aus dem Werk Gendorf und vereinzelt aus der Landwirtschaft im Landkreis Altötting entbinden."

"Da die Zahl der schwangeren Ostarbeiterinnen in den Rüstungsbetrieben und insbesondere auf den vielen Bauernhöfen in den Landkreisen Altötting und Mühldorf ständig stieg, schickte die DAF, die für den Einsatz der Fremd- und Zwangsarbeiter verantwortlich war, immer mehr schwangere Frauen aus dem gesamten Landkreis Altötting zur Entbindung ins Wohn- und Barackenlager der ANORGANA Gendorf, gegen den Protest der Werksleitung!"

Es wurde intensiv verhandelt und "am 13. März 1944 in Abstimmung mit der Werkleitung der Beschluss gefasst, südlich der Alz auf dem Gebiet der Gemeinde Burgkirchen a.d.Alz, etwas nördlich der heutigen Keltenhalle, eine zentrale „Ausländerkinder-Pflegestätte“ zu errichten. Die Nähe zu einem Bahnhof war für die Verantwortlichen sehr wichtig, um die Erreichbarkeit der Kinder-Pflegestätte durch die Ausländerinnen zu gewährleisten."

 

Die
[Foto: James R. Hoffman/OMGUS-Akten BayHSta]
[Foto: Capt. M.M. Braaf , OMGUS-Akten BayHStA]

Das obige Foto zeigt die AKPS Burgkirchen in einer Aufnahme aus dem Juni 1945. Es handelte sich um "eine Baracke mit den Maßen 80 m x 12,5 m und einer Höhe von 2,95 m". Sie wurde u.a. für die Verwaltung, für eine Krankenstation, für die Geburtshilfe und für die Betreuung der Säuglinge genutzt. Aufgrund der unzureichenden hygienischen Verhältnisse und der Mangelernährung sind hier letztendlich in der kurzen Zeit bis zum Ende des Krieges 159 Kinder von ausländischen Zwangsarbeiterinnen verstorben.

Der an der Errichtung der AKPS beteiligte Kreisleiter der NSDAP Fritz Schwägerl hat sich seiner Verantwortung durch Selbstmord entzogen, und das Barackengebäude wurde bereits "im Winter 1945/46 vom Verpächter des Grundstücks wegen Baufälligkeit abgerissen".

Raimond Reiter hat bereits 1993 auf die AKPS Burgkirchen a.d. Alz hingewiesen ("Tötungsstätten für ausländische Kinder", S.61). Er bezog sich bei seinen Ausführungen auf Roman Hrabar u.a. (Kinder im Krieg. Krieg gegen Kinder, Reinbek 1981, S.175).

Hinzuweisen bleibt noch auf einen Online-Artikel von Benedikt Dietsch in der Süddeutschen Zeitung vom 16. Mai 2019: Hier wird u.a. berichtet, dass Schüler der örtlichen Mittelschule in Zusammenarbeit mit Alois Remmelberger für die Errichtung einer Gedenkstätte in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Standortes der AKPS gesorgt haben. Die Namen der 159 verstorbenen Kinder sind damit öffentlich zugänglich geworden.

Die Gedenkstätte der
[Foto: Alois Remmelberger]

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