„ ... wieder anerkannt als direkter Kriegseinfluss“
In Seth sind die Gräber der ausländischen Kinder erhalten geblieben. Die "positiven" Folgen des Bombenangriffs vom 22. April 1945 ?
[Die Fotos wurden von Carsten Schäfer (Henstedt-Ulzburg) am 18. Januar 2023 aufgenommen]
Die Kriegsgräberanlage auf dem Friedhof in Seth erinnert an fünf Personen: Marie Bilska (20.7.1914 – 21.4.1945), Bronislawa Lenartowska (8.11.1904 – 21.4.1945), Josef Lenartowska (16.3.1931 – 21.4.1945), Stefan Lenartowska (26.6.1932 – 21.4.1945) und Theresia Lenartowska (26.3.1935 – 21.4.1945). Es handelt sich um zwei Frauen (im Alter von 30 und 40 Jahren) und um drei Kinder (im Alter von 14, 12 und 10 Jahren). Sie sind alle am 21. April 1945 durch einen alliierten Bombenangriff auf das Dorf Seth ums Leben gekommen.[1]
Nachdem der Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge 1947 seine Arbeit wieder aufgenommen hatte, sind alle fünf Personen (darunter drei Kinder) als „Fremdarbeiter (FrAr)“ aufgelistet worden. Die offizielle Anerkennung der Gräber der beiden Frauen als Kriegsgräber war dabei kein Problem. Aber die Kindergräber fanden zunächst keine Anerkennung als Kriegsgräber (siehe roter Stempel „kein Kriegsgrab“):[2] Sie wurden aus den offiziellen Listen des Innenministeriums und des Volksbundes gestrichen. Dies geschah im Jahre 1955, denn das schleswig-holsteinische Innenministerium hatte am 2. Juli 1955 einen Erlass herausgegeben, wonach alle Kindergräber aus den Kriegsgräberlisten zu streichen seien.[3]
[Kriegsgräberliste Friedhof Seth, Archiv des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Heikendorf]
Im Anschluss daran wurde diese Entscheidung offensichtlich im Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein noch einmal überpüft, und man fand in §1 (1) des neuen Kriegsgräbergesetzes von 1952 die Formulierung: „Kriegsgräber im Sinne dieses Gesetzes sind, soweit sie in dem Anwendungsgebiet dieses Gesetzes liegen, die Gräber der deutschen und ausländischen Zivilpersonen, die durch unmittelbare Kriegseinwirkungen im zweiten Weltkrieg ihr Leben verloren haben.“[4] Das war in Seth der Fall und deshalb wurden die Kindergräber jetzt auch offiziell als Kriegsgräber anerkannt. Am unteren Rand der obigen Liste ist handschriftlich vermerkt: Die Personen 3-5 seien „wieder anerkannt als direkter Kriegseinfluss“.
Die einzelnen Karteikarten für die drei Kinder wurden ebenfalls mit den entsprechenden Hinweisen abgeändert. Dies geschah am 4. April 1957. Seitdem erhält der Träger des Friedhofes in Seth (Kommune oder Kirchengemeinde) vom Land Schleswig-Holstein (aus Bundesmitteln) jährlich eine finanzielle Pauschale für die Pflege der fünf Kriegsgräber. Derzeit werden 24,75 € pro Einzelgrab zur Verfügung gestellt.[5]
An die drei Kinder aus Seth wird durch den Autor auch auf der Internetseite AKPS-Gedenken (Kreis Segeberg) erinnert.
Copyright: Uwe Fentsahm (Brügge, November 2024)
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[1] Über den Bombenangriff vom 21. April 1945 auf die Gemeinde Seth gibt es einen ausführlichen Polizeibericht (mit Lageskizze), der im Gemeindearchiv Sülfeld zu finden ist.
[2] Siehe grundsätzlich zu dieser Problematik Uwe Fentsahm: Die Hintergründe für das Verschwinden der Kindergräber auf dem Bordesholmer Friedhof nach 1945, in: Jahrbuch für das ehemalige Amt Bordesholm, Heft 24 (2022), S.196 ff.
Vgl. dazu weiterhin im selben Jahrbuch vom Autor die Artikel „Die verschwundenen Kindergräber auf dem Bordesholmer Friedhof (1941-1945)“ und „Die verstorbenen „Ausländerkinder“ auf dem Friedhof Flintbek (1944-1945)“.
[3] Siehe dazu den vorhergehenden Artikel über den Erlass vom 2. Juli 1955.
[4] Gesetz über die Sorge für die Kriegsgräber (Kriegsgräbergesetz). Vom 27. Mai 1952. (BGBl 1952, Teil I, S.320 ff.).
[5] Siehe dazu zuletzt die Schreiben des schleswig-holsteinischen Innenministeriums vom 17. Dezember 2021 und 7. Dezember 2023 an die Träger der Friedhöfe in Schleswig-Holstein, auf denen Kriegsgräber vorhanden sind.