Zentrale Quellen zum Thema "Ausländerkinder-Pflegestätten"
Der erläuternde Erlass des GBA vom 20. März 1943 [1]
Am 20. März 1943 informierte der GBA die Präsidenten der Landesarbeitsämter darüber, dass die eigentlich vorgesehene Befristung einer Nichtrückführung von schwangeren Ausländerinnen in ihre Heimatländer „zunächst“ bis zum Ende des Krieges aufgehoben sei. Es wurde ausdrücklich bestimmt, dass das neu geregelte Mutterschutzgesetz vom 17. Mai 1942 nicht für „Ostarbeiterinnen“ und Polinnen gelten sollte. Sie erhielten nur den „Mindestschutz“, das waren „2 Wochen vor und 6 Wochen nach der Niederkunft“. In dieser Zeit sollten sie aber trotzdem für Haus- und Heimarbeiten eingesetzt werden. Bei größeren Lagerkomplexen waren dafür entsprechende „Beschäftigungsbaracken“ zu schaffen.
Bei dieser Gelegenheit verdeutlichte Sauckel auch, wie er sich die „Errichtung von Entbindungseinrichtungen“ vorstellte: „Grundsätzlich sollen die Entbindungen in den Krankenbaracken der Betriebe ermöglicht werden. Soweit Kleinbetriebe nicht in der Lage sind, entsprechende Einrichtungen einfachster Art zu schaffen, haben etwa vorhandene Großbetriebe am gleichen Ort oder in der Nähe in Gemeinschaftshilfe die Schwangeren der Kleinbetriebe mit aufzunehmen. Auch in der Landwirtschaft werden sich mit Hilfe der Dorfgemeinschaft (Ortsbauernführer) die Entbindungen weitgehend örtlich regeln lassen, zumal es sich meistens um Polinnen und Ostarbeiterinnen handelt, die im Allgemeinen leicht niederkommen."
Zur Entlastung der Bäuerinnen der Klein- und Mittelbetriebe werden auch hier die Großbetriebe der Landwirtschaft durch Aufnahme der Schwangeren in ihre Lager einzubeziehen sein. Zur Hilfe bei der Entbindung und zur Pflege der Wöchnerinnen und der Kinder sind bei Ostarbeiterinnen, soweit Osthebammen nicht zur Verfügung stehen, so wie es in den Ostgebieten ebenfalls üblich ist, geeignete ältere Ostarbeiterinnen, die selbst Kinder gehabt haben, einzusetzen.“
Hinsichtlich der „Fahrtkosten zur Entbindungseinrichtung und zurück zum Einsatzort“ wurde Folgendes festgelegt: „Soweit aus besonderen Gründen die Entbindungen für einen größeren Bereich in einer zentralen Stelle (Krankenbaracke bei öffentlichen Krankenhäusern, Entbindungsbaracke, Durchgangslager usw.) durchgeführt werden müssen, können Fahrtkosten für die Schwangere und, falls bei völlig Sprachunkundigen Begleitung notwendig ist, auch für diese auf Mittel des Reichsstocks übernommen werden, wenn die Schwangere oder Wöchnerin selbst die Kosten nicht bestreiten kann. Dies ist bei Ostarbeiterinnen wegen der Ostarbeiterabgabe regelmäßig zu unterstellen.“ Eine durchaus realistische, aber auch zynische Einschätzung der Situation von schwangeren Zwangsarbeiterinnen.
In ähnlich herabwürdigender Weise wurde die „Versorgung schwangerer Ausländerinnen“ geregelt: „Ausländischen Arbeiterinnen (außer Polinnen und Ostarbeiterinnen) … darf in dringenden Fällen ein Bezugsschein über ein Umstandskleid erteilt werden. … "Polinnen und Ostarbeiterinnen darf nur so viel Stoff bewilligt werden, wie zur Änderung der vorhandenen Kleidung unbedingt erforderlich ist."
"Die Bewilligung bequemeren Schuhwerks wird im Allgemeinen, zumindest bei den Ostvölkern, nicht erforderlich sein, da gesundheitlich ungünstiges Schuhwerk eine Zivilisationserscheinung ist.“
Im ersten Satz von Punkt 8 des Erlasses heißt es: „Ausländische Arbeiterinnen sind den deutschen Arbeiterinnen auf dem Lebensmittelsektor gleichgestellt. Demgemäß erhalten werdende und stillende Mütter sowie Wöchnerinnen die üblichen Ernährungszulagen.“ Das hört sich gut an, aber im zweiten Satz wird eingeschränkt: „Keine Zulagen erhalten Ostarbeiterinnen und Polinnen.“
Der dritte Satz von Punkt 8 hört sich wiederum vielversprechend an: „Die Säuglinge der ausländischen Arbeiterinnen erhalten die gleiche Ernährung wie deutsche Kleinstkinder.“ Im vierten Satz steht allerdings: „Die Säuglinge von Ostarbeiterinnen und Polinnen erhalten bis zu 3 Jahren 0,5 l Vollmilch (vgl. Rderl. 1305/42).“
Die Betreiber der späteren „Ausländerkinder-Pflegestätten“ haben diesen vierten Satz vielfach so verstehen wollen, dass den Säuglingen nur 0,5 l Vollmilch (täglich?) zugestanden werden sollte.
In Bezug auf die Notwendigkeit des Stillens der Neugeborenen war man der Ansicht: „Ein vorzeitiges Abstillen ist nicht erforderlich. Im Allgemeinen werden die Säuglinge durch das Stillen am schnellsten versorgt und beanspruchen weniger Pflege als künstlich ernährte Säuglinge. Den ausländischen Müttern soll deshalb Gelegenheit zum Stillen ihrer Kinder gegeben werden.“
Bernhild Vögel hat angenommen, dass Polinnen und "Ostarbeiterinnen" von dieser Regelung wieder ausgenommen waren und schreibt dazu: „Gerade weil sie [die Ostarbeiterinnen und Polinnen] nicht stillen sollten, wurde den Kindern 0,5 l Vollmilch zugebilligt."[3]
Diese Annahme kann allerdings so nicht bestätigt werden, da es in dem Erlass weiter heißt: „Den ausländischen Müttern, für die der Mindestschutz gilt, ist während der Arbeitszeit zweimal eine je halbstündige unbezahlte Stillpause oder, wenn Stillmöglichkeit im Betriebe nicht besteht und das Lager sich nicht in der Nähe des Betriebes befindet, einmal eine einstündige bezahlte Stillpause zu gewähren.“
Diese Bestimmung galt also in dieser Form für Ostarbeiterinnen und Polinnen, da ihnen der Mindestschutz gewährt wurde. Allerdings war den Verantwortlichen hier "durch ein Büroversehen" ein Druckfehler unterlaufen, der am 13. April 1943 korrigiert wurde: "Es ist entsprechend der Regelung bei der zweimaligen halbstündigen unbezahlten Stillpause auch die einmalige einstündige Stillpause unbezahlt zu gewähren."[4]
Abschließend heißt es im Punkt 8: „Für die den deutschen Frauen gleichgestellten Ausländerinnen [wozu die Polinnen und „Ostarbeiterinnen nicht zählten] regelt sich die Stillzeit nach §5 des Mutterschutzgesetzes.“ Das Mutterschutzgesetz von 1942 war u.a. in der Absicht verfasst worden, die Stilltätigkeit der deutschen Frauen zu fördern, deshalb wurden hier das Stillgeld verdoppelt und die Stillpausen verlängert.
[1] Erlass des GBA vom 20. März 1943 [VI 2 – 1940/7], in: Bundesarchiv (BA) R 3901/20469 und in: Stadtarchiv Neumünster, MA 5481.
[2] Berhild Vögel: "Entbindungsheim ...", 1999, S.40.
[3] Ebd.
[4] Erlass des GBA vom 13. April 1943 [VI 2 – 1940/33], in: Bundesarchiv (BA) R 3901/20469.
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