Zentrale Quellen zum Thema "Ausländerkinder-Pflegestätten"
Erlass Heinrich Himmlers als Reichsminister des Innern (B II 402/44-8036 I) mit dem Betreff: "Uneheliche Kinder ausländischer Arbeiterinnen".
Der fünfseitige Erlass vom 5. Juni 1944 war "an die Jugendämter und ihre Aufsichtsbehörden sowie die Landes- (Gau-)jugendämter, die Gesundheitsämter und ihre Aufsichtsbehörden und die Fürsorgeverbände und ihre Aufsichtsbehörden" gerichtet. Sein Inhalt war offensichtlich so brisant, dass im Schlussabschnitt VI verfügt wurde: "Von einer Veröffentlichung dieses Runderlasses, auch in den für den Dienstgebrauch bestimmten Nachrichtenblättern, ist abzusehen."
Im ersten Abschnitt ging Himmler auf die wohl vielfach an ihn herangetragene Frage der Kostenübernahme für die Errichtung von AKPS ein und verdeutlichte indirekt auch, welche Kinder eigentlich in so eine Einrichtung eingewiesen werden sollten: "Ausländische Arbeiterinnen, die für den Einsatz in der Kriegswirtschaft in das Großdeutsche Reich gekommen sind, werden bei Schwangerschaft nicht mehr in ihre Heimat zurückgeführt. Für die Betreuung ihrer Kinder werden in den Ausländerunterkünften sogenannte "Ausländerkinderpflegestätten" eingerichtet."
[Anmerkung: Diese beiden Tatsachen waren bereits seit dem 15. Dezember 1942 bzw. dem 27. Juli 1943 bekannt.]
"Die Kostenfrage unterliegt beonderer Regelung. Die Einrichtung der Ausländerkinderpflegestätten und die Übernahme der Kosten für sie ist nicht Aufgabe der Gemeinden. Die Ausländerkinderpflegestätten werden vom Reichsnährstand oder von der Deutschen Arbeitsfront beaufsichtigt werden. Die Jugendämter sind für diese Aufsicht nicht zuständig."
[Anmerkung: Das "Ostarbeiterkinderheim" in der Gemeinde Wiemersdorf bestand zu diesem Zeitpunkt bereits seit mindestens 6 Monaten und ist unter maßgeblicher Mitwirkung des damaligen Bürgermeisters Hans Schümann errichtet worden.]
"Diejenigen unehelichen Kinder der genannten ausländischen Arbeiterinnen, deren Erzeuger dem deutschen Volkstum oder dem dänischen, flämischen, niederländischen, norwegischen, schwedischen oder wallonischen Volkstum angehören, und die als wertvoll angesehen werden können, sollen nicht in den Ausländerkinderpflegestätten betreut, sondern wie deutsche Kinder erzogen werden".
Im Folgenden schilderte Himmler noch einmal (teilweise wortgleich mit dem Erlass vom 27. Juli 1943) detailliert, wie die "rassische Überprüfung" der Kinder stattfinden sollte: "1. Dem Jugendamt werden von den Betrieben über das Arbeitsamt die unehelichen Schwangerschaften ausländischer Arbeiterinnen gemeldet. Das Jugendamt stellt alsbald Ermittlungen nach dem Erzeuger an. Ist der Erzeuger deutschen oder stammesgleichen Blutes, so teilt das Jugendamt dem Höheren SS- und Polizeiführer den Fall mit, der die rassische Überprüfung veranlasst. Das Jugendamt teilt dem Höheren SS- und Polizeiführer unter entsprechender Darlegung des Sachverhalts auch diejenigen Fälle mit, in denen es nach Lage der Dinge annimmt, dass der Erzeuger deutschen oder stammesgleichen Blutes ist. Verweigert die Schwangere die Angabe des Erzeugers, so kann das Jugendamt die Vernehmung durch die zustädige Staatspolizeistelle beantragen."
"2.1 Die gesundheitliche, erbgesundheitliche und rassische Untersuchung wird von den Ärzten der Gesundheitsämter durchgeführt. Dem SS-Führer im Rasse und Siedlungswesen als Vertreter des zuständigen Höheren SS- und Polizeiführers in seiner Eigenschaft als Beauftragter des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums wird gleichzeitig Gelegenheit gegeben, seinerseits seine Feststellungen nach den Richtlinien des Reichsführers SS zu treffen." [wortgleiches Zitat aus dem Erlass vom 27. Juli 1943]
"2.2 Die Termine zur Durchführung der Untersuchungen werden vorher rechtzeitig vom SS-Führer im Rasse- und Siedlungswesen mit den Gesundheitsämtern vereinbart. Der SS-Führer im Rasse- und Siedlungswesen teilt die zur Überprüfung anstehenden Personen unter Angabe der genauen Anschriften dem Gesundheitsamt mit, von dem aus die Vorladungen erfolgen." [wortgleiches Zitat aus dem Erlass vom 27. Juli 1943]
"2.3 Vor Durchführung der Untersuchungen ist durch den SS-Führer im Rasse- und Siedlungswesen eine Vorauslese vorzunehmen." [wortgleiches Zitat aus dem Erlass vom 27. Juli 1943]
"2.4 Über das Ergebnis der Untersuchungen gibt das Gesundheitsamt ... ein Gutachten (mit Lichtbild) ab, das dem SS-Führer im Rasse- und Siedlungswesen zur Verfügung gestellt wird." [fast wortgleiches Zitat aus dem Erlass vom 27. Juli 1943]
"2.5 Die Untersuchungen der Schwangeren und der unehelichen Väter durch die Gesundheitsämter haben als Pflichtaufgaben unentgeltlich zu erfolgen."
"3. Der SS-Führer im Rasse- und Siedlungswesen trifft auf Grund der Feststellungen die Entscheidung über die Behandlung der Schwangeren und der Kinder entsprechend der vom Reichsführer SS, Rasse- und Siedlungshauptamt SS, ergangenen Weisung und teilt das Ergebnis der rassischen Überprüfung dem Jugendamt, das den Fall gemeldet hat, mit. Ist das Ergebnis negativ, so wird das Kind ohne Mitwirkung des Jugendamtes nach der Geburt einer Ausländerkinderpflegestätte zugeführt."
"Ist das Ergebnis der rassischen Überprüfung positiv, so beantragt das Jugendamt beim Vormundschaftsgericht seine Bestellung als Vormund; die Bestellung eines Einzelvormundes darf nicht beantragt werden. ... Im Übrigen obliegt die Betreuung des Kindes der NSV, die das Kind in Heim- oder Familienpflege unterbringt."
"4. Der Verpflichtung der Jugendämter, jede uneheliche Geburt mit fremdvölkischer Mutter oder fremdvölkischem Vater dem Reichsausschuss für Volksgesundheitsdienst zu melden (RdErl. vom 7.10.1941 - IV W II 22/41 - 8026 - nicht veröffentlicht), wird durch diesen Runderlass nicht berührt."
"5. Verlegt eine ausländische Arbeiterin, über die eine Schwangerschaftsmeldung an das Jugendamt erstattet worden ist, den Arbeitsplatz in den Bezirk eines anderen Jugendamtes, so erhält das Jugendamt, dem die Schwangerschaftsmeldung zugegangen ist, durch das Arbeitsamt Mitteilung von dieser Verlegung. ..."
"6. Erhält das Jugendamt durch das Standesamt die Anzeige über die Geburt eines unehelichen Kindes einer ausländischen Arbeiterin, über dessen Mutter es keine Schwangerschaftsmeldung nach Abschn. II Nr.1 erhalten hatte, so verfährt es nunmehr nach dem vorliegenden Runderlass. In gleicher Weise verfährt das Jugendamt auch in den ihm bereits bekannten Fällen unehelicher Geburten ausländischer Arbeiterinnen, die nach dem 1. Januar 1942 erfolgt sind. ... Besondere Ermittlungen darüber, ob solche Fälle vorhanden sind, sind nicht anzustellen. ..."
Der Erlass vom 5. Juni 1944 wurde nicht im "Ministerialblatt des Reichs- und Preußischen Ministeriums des Innern" veröffentlicht. Eine Kopie wurde dem Autor freundlicherweise von Marcel Brüntrup (Münster) zur Verfügung gestellt. Bernhild Vögel hat den Erlass 1989 im Bundesarchiv in Berlin unter der Signatur R 36/1444 eingesehen und schreibt: "Bezogen auf die langen Diskussionen war der Inhalt des Erlasses vom 5. Juni 1944 dürftig ..." (S.101 der Druckversion ihres Buches aus dem Jahre 1999: "Entbindungsheim für Ostarbeiterinnen" Braunschweig, Broitzemer Straße 200). Im Bundesarchiv findet sich der Erlass aber auch in R 1501/3382 und in R 1501/212827.
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