Zentrale Quellen zum Thema "Ausländerkinder-Pflegestätten"

 

"Schnellbrief" des GBA Fritz Sauckel hinsichtlich der "Behandlung schwangerer ausländischer Arbeiterinnen sowie der nicht einsatzfähigen Ausländer und der Ausländerkinder".

Der aktuelle Runderlass des GBA nahm Bezug auf die vorhergehenden Runderlasse vom 20.3.1943 (VI 2 1940/7) und vom 27.4.1944 (VI a 5783.28/309) und war "an die Herren Präsidenten der Gauarbeitsämter und Reichstreuhänder der Arbeit (mit Nebendrucken für die Herren Leiter der Arbeitsämter)" gerichtet. Er sollte aber streng vertraulich behandelt werden, und: "Von einer Veröffentlichung dieses Runderlasses auch in den für den Dienstgebrauch bestimmten Nachrichtenblättern ist abzusehen."

Sauckel hob zunächst noch einmal hervor, was er seit dem Frühjahr 1943 alles veranlasst habe: "In Ziffer 9 des oben erwähnten Runderlasses vom 20.3.1943 habe ich auf die Notwendigkeit hingewiesen, zur Unterbringung der Ausländerkinder in verständnisvoller Zusammenarbeit mit den Betrieben Kinderbetreuungseinrichtungen einfachster Art zu schaffen, da solche Kinder unter keinen Umständen durch deutsche Einrichtungen betreut werden dürfen. Ferner habe ich vorläufige Mitteilungen über die rassische Überprüfung dieser Kinder gemacht und weitere Weisungen hierzu in Aussicht gestellt. Schließlich habe ich gebeten, die Betriebsführer anzuhalten, jede Schwangerschaft einer ausländischen Arbeiterin sofort nach Bekanntwerden dem Arbeitsamt anzuzeigen, damit rechtzeitig alle weiteren Schritte eingeleitet werden können."

Im zweiten Absatz thematisierte Sauckel, dass Himmler das Thema "Ausländerkinder-Pflegestätten" inzwischen zur "Chefsache" erklärt hatte: "Inzwischen haben der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei mit Erlass vom 27.7.43 und der Herr Reichsminister des Innern mit Erlass vom 5.6.1944 die in Aussicht gestellten Weisungen über die Behandlung schwangerer ausländischer Arbeiterinnen und die rassische Überprüfung der Ausländerkinder gegeben. Ich habe bisher davon abgesehen, diese Weisungen bekanntzugeben, da eine Reihe von Fragen noch ungeklärt war. Nachdem diese aber nunmehr im Grundsatz gelöst sind, gebe ich aus dem Inhalt der oben erwähnten Erlasse folgendes bekannt:"

"Die Notwendigkeit, den Verlust deutschen Blutes an fremde Volkskörper zu verhindern, wird durch die Blutopfer des Krieges vestärkt. Es ist daher erforderlich, die Kinder von Ausländerinnen, die Träger zum Teil deutschen und stammesgleichen Blutes sind und als wertvoll angesehen werden können, nicht den Ausländerkinderpflegestätten zuzuweisen, sondern nach Möglichkeit dem Deutschtum zu erhalten und sie als deutsche Kinder zu erziehen." [Diese Formulierung findet sich wortgleich im Erlass Himmlers vom 27. Juli 1943.]

"Hierzu gehören insbesondere Kinder ausländischer Arbeiterinnen, deren Erzeuger dem deutschen Volkstum oder dem dänischen, flämischen, niederländischen, norwegischen, schwedischen oder wallonischen Volkstum angehören." [Diese Formulierung findet sich fast wortgleich im Erlass Himmlers vom 5. Juni 1944.]

"In den Fällen, in denen der Erzeuger des Kindes einer Ausländerin ein Deutscher oder ein Angehöriger eines der genannten Volkstümer ist, ist daher eine rassische Überprüfung des Erzeugers und der Mutter durchzuführen. Zu diesem Zweck haben die Betriebe die unehelichen Schwangerschaften ausländischer Arbeiterinnen über das zuständige Arbeitsamt dem Jugendamt zu melden. Das Jugendamt stellt alsdann Ermittlungen nach dem Erzeuger an und teilt gegebenenfalls dem Höheren SS- und Polizeiführer den Fall mit, der die rassische Überprüfung veranlasst. Die gesundheitliche, erbgesundheitliche und rassische Untersuchung wird von den Ärzten der Gesundheitsämter durchgeführt. Über das Ergebnis der Untersuchungen erstellt das Gesundheitsamt ein Gutachten (mit Lichtbild), das dem SS-Führer im RuS-Wesen zur Verfügung gestellt wird. Dieser trifft hierauf die Entscheidung über die Behandlung der Schwangeren bezw. der Kinder." [Diese Formulierung findet sich fast wortgleich im Erlass Himmlers vom 27. Juli 1943.]

"Der Höhere SS- und Polizeiführer übermittelt auf schnellstem Wege u.a. auch dem für die Mutter zuständigen Arbeitsamt das Ergebnis der rassischen Überprüfung und die getroffene Entscheidung. In den Fällen, in denen auf Grund der rassischen Überprüfung sowie erbgesundheitlichen und gesundheitlichen Begutachtung des Erzeugers und der Schwangeren mit einem gut-rassischen Nachwuchs zu rechnen ist, werden die Kinder, um ihre Erziehung als deutsche Kinder zu gewährleisten, von der NSV betreut, die sie in besondere Kinderheime für gut-rassische Ausländerkinder oder in Familienpflegestellen einweist. Kinder, deren beide Elternteile Angehörige germanischer Völker sind, können, wenn das Ergebnis der rassischen Überprüfung nicht dagegen spricht, auch in Einrichtungen für deutsche Kinder aufgenommen werden." [Diese Formulierung findet sich fast wortgleich im Erlass Himmlers vom 27. Juli 1943.]

"In den Fällen, die erst mit oder nach der Geburt des Kindes bekannt werden, wird entsprechend verfahren, ebenso auch in den Fällen, in denen bisher schon von ausländischen Arbeiterinnen Kinder geboren worden sind. Ist das Ergebnis der rassischen Überprüfung positiv, so beantragt das Jugendamt beim Vormundschaftsgericht seine Bestellung als Vormund; die Bestellung eines Einzelvormundes darf nicht beantragt werden." [Der letzte Satz findet sich wortgleich im Erlass Himmlers vom 5. Juni 1944.]

"Verlegt eine ausländische Arbeiterin, über die eine Schwangerschaftsmeldung an das Jugendamt erstattet worden ist, den Arbeitsplatz in den Bezirk eines anderen Jugendamtes, so erhält das Jugendamt, dem die Schwangerschaftsmeldung zugegangen ist, durch das Arbeitsamt Mitteilung von dieser Verlegung. Es übersendet alsdann seine Vorgänge und die Mitteilung des Arbeitsamtes dem nunmehr zuständigen Jugendamt. Die Unterhaltspflicht der Mutter und die Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den Erzeuger werden durch die vorstehende Regelung nicht berührt." [Der erste Satz findet sich wortgleich im Erlass Himmlers vom 5. Juni 1944.]

Abschließend trieb Sauckel den hier vorliegenden Fall von Bürokratismus noch auf die Spitze: Die Mitteilung der Betriebsführer über bestehende Schwangerschaften von Ausländerinnen an das Arbeitsamt "hat zweckmäßigerweise in doppelter Fertigung zu erfolgen. Eine der Fertigungen hat das Arbeitsamt alsbald dem zuständigen Jugendamt zu übersenden. Auf der Arbeitskarte (AK) (2) der betreffenden ausländischen Arbeiterin ist in Feld 11 ein Vermerk über das Bestehen der Schwangerschaft anzubringen. Außerdem ist dabei anzugeben, welchem Jugendamt und zu welchem Zeitpunkt Mitteilung gemacht worden ist."


Der Runderlass VI a 5783/288 III des GBA vom 24. Oktober 1944 ist im Bundesarchiv zu finden: BA R 3901/20467, S.155 ff.

 

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